Sparbücher und Geldmarktanlagen werden länger als erwartet unattraktiv bleiben

Liebe Leserin, lieber Leser,
wie zu erwarten war, hat sich das Coronavirus von der gesellschaftlichen Ebene in die wirtschaftliche Ebene übertragen. So ist das Wirtschaftswachstum der größten Wirtschaftskraft der Welt, den USA, im ersten Quartal um 4,8% heftig eingebrochen. Die US-Arbeitslosenquote kletterte von 3,5% auf 4,4%. Dazu sind viele Stimmungsindikatoren in das Bodenlose gefallen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die Weltwirtschaft heuer um rund 3% schrumpfen wird. In den Industrieländern geht der Fonds sogar von einer Kontraktion von 6% aus, wobei er die Eurozone mit Werten über 7% am schlimmsten betroffen sieht. Um vergleichbare oder tiefere Rezessionen zu finden, muss man bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 zurückgehen.
Weltweit stemmen sich Regierungen und Notenbanken mit nie dagewesenen geld- und fiskalpolitischen Rettungsmaßnahmen gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Virus-Krise. Die amerikanische Fed senkte die Leitzinsen in zwei Schritten von 1,50% auf 0,25 Prozent. Zudem hat sie ein zeitlich und mengenmäßig unbegrenztes Anleihenkaufprogramm initiiert. Die Bilanzsumme der Fed hat sich infolge dieser Maßnahmen massiv aufgebläht. Die Bilanzbestände sind bis Anfang Mai auf 6,67 Billionen US-Dollar angewachsen. Das ist ein einsamer Rekordwert. Auch die EZB kämpft mit neuen umfassenden Anleihekäufen gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie.
Ob diese Maßnahmen wirkungsvoll sein werden, lässt sich erst im Nachhinein beurteilen. Fest steht aber schon heute, dass die verabreichte Medizin Nebenwirkungen haben wird. Neben der Erhöhung der globalen Staatsschulden bleibt vor allem das Tiefzinsumfeld auf viele Jahre hinaus zementiert.
In Konsequenz werden Sparbücher und Geldmarktanlagen länger als erwartet unattraktiv bleiben. Dies gilt auch für sichere EUR-Staatsanleihen. Diese waren im März wegen der weltweiten Pandemiesorgen stark nachgefragt und ließen die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen auf minus 0,90% einknicken. Wir erwarten in der zweiten Jahreshälfte zwar eine leichte Erholung der Renditen, diese dürften aber weiterhin unter Null bleiben. Positiv eingestellt sind wir gegenüber bonitätsstarken Euro Unternehmensanleihen. Aufgrund der Corona-bedingten Marktverwerfungen kam es im März zu einer starken Spreadausweitung. Obwohl die Unternehmensanleihen danach von den massiv verstärkten Anleihekäufen und der erwarteten Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr profitieren hätten sollen, blieben die Risikoaufschläge für Investmentgrade-Emittenten im Plusbereich. Damit können Anleger bei qualitativ hochwertigen Unternehmensanleihen seit längerer Zeit wieder eine deutlich positive Rendite erzielen. Nicht empfehlenswert sind Euro Hochzinsanleihen, da die implizite Ausfallrate auf rund 50 Prozent gestiegen ist. Das ist der negativste Wert in der Geschichte. Schwellenländeranleihen hingegen sollten von der erwarteten Wirtschaftserholung im zweiten Halbjahr profitieren.
Ihr

Roland Rupprechter