Renditen steigen
Vorarlberger Nachrichten, Hanna Reiner, 20. März 2023 - 6 minute read

ChatGPT löste in den vergangenen Wochen einen regelrechten Hype aus. Die Software auf Basis künstlicher Intelligenz kann in Sekundenschnelle Texte generieren, die kaum von denen eines Menschen zu unterscheiden sind. Wie interessant sind Unternehmen, die im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) tätig sind, für Anleger? Die VN haben dazu mit Roland Rupprechter, MBA, CPM, CEFA, CEO von R&B Research und Vermögensmanagement in Dornbirn, gesprochen.

Lohnt es sich in Künstliche-Intelligenz-Unternehmen zu investieren oder ist es eine große Wette?

In den letzten Jahren wurden in der Computerwissenschaft und künstlichen Intelligenz (KI) unglaubliche Fortschritte erzielt. Insbesondere die KI-Gebiete maschinelles Lernen und Natural Language Processing boomen. Hinzu kommen neuronale Netze, die aufgrund verbesserter KI-Verfahren sowie leistungsfähigerer Software und Hardware ihre zweite, diesmal sehr erfolgreiche Wiedergeburt erleben. Eine besondere Aufmerksamkeit der KI in der breiten Öffentlichkeit genießt die Anwendung virtuelle Assistenz und Chatbot. Das hat sich auch in den vergangenen Wochen gezeigt, als das amerikanische Start-up OpenAI seinen neuartigen Chatbot ChatGPT auf seiner Webseite frei zugänglich schaltete – und einen weltweiten Hype auslöste. Binnen fünf Tagen vermeldete OpenAI-Chef Sam Altman mehr als eine Million registrierte Nutzer von ChatGPT. Zur Einordnung: LinkedIn startete die Deutschland-Ausgabe seines Geschäftsnetzwerks Anfang 2009 – und überquerte die Eine-Million-Marke nach knapp einem Jahr im Dezember 2009.

ChatGPT, Watson, Siri oder Deep Learning zeigen, dass KI-Systeme inzwischen Leistungen vollbringen, die als intelligent und kreativ eingestuft werden müssen. Weitere Trends wie Multi-Core-Architekturen, verbesserte Algorithmen und superschnelle In-Memory-Datenbanken machen KI-Anwendungen auch für den Unternehmensbereich attraktiv. Hier liegen die KI-Einsatzgebiete in den Bereichen Medizin, Big Data, Robotersteuerung, Cyber-Sicherheit, Content-Moderation, Clouds, Mobilität (autonomes Fahren) und Marketing (datengetriebene Prognosen). Damit hat sich künstliche Intelligenz neben Big Data, dem Internet der Dinge und Nanotechnologie als eine entscheidende Zukunftstechnologie etabliert. Vor diesem Hintergrund sehen wir Aktien von KI-Unternehmen nicht als Wette, sondern als chancenreiches Zusatzinvestment für ein breit aufgestelltes Aktienportfolio.

Wie kann man als Anleger vom Hype profitieren?

KI-Aktien bieten sich an, um an den heutigen und nächsten technologischen Revolutionen mitzuverdienen. Wer Aktien mit großem Gewinnpotenzial sucht, sollte wissen, dass der Sektor jung und innovativ ist und eine vergleichsweise hohe Volatilität bzw. Schwankung aufweist. Die Tech-Giganten Microsoft, Alphabet, Meta & Co. weisen substanzielle Eigenentwicklungen im Bereich KI auf und verfügen über gut gefüllte Kassen. Sie können es sich leisten, das eine oder andere Start-up zu übernehmen. Wer von einem möglichen Übernahmekandidaten im Bereich künstliche Intelligenz Aktien besitzt, kann mit dem Aufkommen der Übernahmegerüchte binnen kürzester Zeit enorme Gewinne erwirtschaften. Umgekehrt gibt es aber auch ein großes Verlustpotenzial, wenn ein Unternehmen aus der KI-Branche scheitert. Man denke an die Augusta Intelligence Aktien, die als Folge der Insolvenz des zuvor gehypten Unternehmens von der Börse verschwunden sind.

Wer aufgrund der genannten Risiken nicht direkt in KI-Aktien investieren möchte, für den empfehlen sich KI-ETFs, sogenannte Artificial Intelligence Exchange Traded Funds, sowie in KI investierende Megatrendfonds. Der Vorteil für den Anleger liegt darin, dass er das Risiko streuen kann, aber dennoch von der potenziell positiven Entwicklung im Bereich der KI-Aktien profitieren kann.

Welche Aktien sind zu favorisieren?

Wir priorisieren Technologie-Unternehmen, die substanzielle Eigenentwicklungen im Bereich KI aufweisen oder von den Veränderungen durch KI mittelbar oder unmittelbar betroffen sind. Da viele KI-Anwendungen enorme Rechenleistungen mit leistungsstarken Chips erfordern, favorisieren wir Hersteller wie Nvidia, Intel, Qualcomm, Micron Technologies und Advanced Micro Devices.

Weiters bevorzugen wir Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, riesige Datenmengen zu strukturieren und auszuwerten. Dazu gehören IBM, Splunk, Alteryx, Palantir und Trade Desk.

Im Bereich Medizin hilft KI durch Abgleichen riesiger Datenbanken, Krankheiten zu erkennen oder Medikamente zu entwickeln. Personalisierte Behandlungen, auch auf Basis der Gentechnologie, stehen ebenfalls auf der Agenda. Zu unseren Favoriten zählen hier Intuitive Surgical, Siemens Healthineers, Sartorius und Teladoc.

Im Segment Cyber-Security, wo das Erkennen von Bedrohungen und blitzschnelle Reaktionen von KI unterstützt werden, favorisieren wir CrowdStrike und Cyber-Ark. Beim Thema Mobilität gibt es im Sektor Autonomes Fahren bereits zahlreiche alltagstaugliche Fahrerassistenzsysteme. Bis die Fahrzeugführung jedoch komplett abgegeben werden kann, dauert es noch eine längere Zeit. Durchsetzen werden sich hier primär finanzstarke Tech-Unternehmen wie Apple, Baidu und Tesla.

Im Segment CRM (Customer Ressource Management) setzen wir auf Anbieter wie Twilio, Five9, Bill Holdings sowie Salesforce, welche daran arbeiten, vielversprechende Systeme der intelligenten Kundenbetreuung weiterzuentwickeln.

In einem guten KI-Portfolio nicht fehlen dürfen Microsoft, Alphabet und Meta. Microsoft hat knapp 50 Prozent der OpenAI erworben und will zudem KI-Funktionalitäten in verschiedene Microsoft-Applikationen wie Github Copilot, Bing und bei Office-Anwendungen gewinnbringend integrieren. Alphabet dürfte davon profitieren, dass sie bereits seit Jahren im Bereich KI aktiv ist, beispielsweise mit dem „Language Model for Dialogue Applications“ (LaMDA). Meta setzt auf die Fähigkeiten seiner „KI-Discovery-Engine“. Facebook, Instagram, Messenger und WhatsApp werden nicht mehr nur rund um Personen und den zugeordneten Themen herum organisiert, sondern dem Nutzer werden zunehmend geeignetere Inhalte angezeigt, die vom KI-System entsprechend empfohlen und ausgewählt worden sind.

Gibt es einen idealen Einstiegszeitpunkt?

Anleger machen auf lange Sicht gesehen alles richtig, wenn sie nach der letztjährigen kriegs-, inflations- und zinsbedingten Korrektur heute ein erstes Teilinvestment tätigen. Aufgrund des erwarteten Inflationsrückgangs bis Jahresende und der ersten möglichen Zinssenkung Anfang des nächsten Jahres empfiehlt sich ein zweites Teilinvestment im zweiten Halbjahr dieses Jahres.


Konzerne wie Google-Mutter Alphabet haben substanzielle Eigenentwicklungen

Rezession
Quelle: Vorarlberger Nachrichten

Wie sehen Sie die Entwicklung, dass künstliche Intelligenz künftig Investmententscheidungen übernehmen könnte?

Es gibt bereits KI-Anwendungen im Investmentbereich. Die prominenteste Form sind Robo-Advisors. Unter diesen digitalen Vermögensverwaltern sind intelligente Systeme gemeint, die unter Einsatz von Algorithmen ohne menschliche Beteiligung Vermögensstrukturen und Titelempfehlungen für ein optimiertes Portfoliomanagement aussprechen und diese umsetzen. Hierfür beantwortet der Anleger am Computer verschiedene Fragen, die sich unter anderem auf seine finanziellen Verhältnisse, den Anlagehorizont, die Risikoneigung und die Ertragsziele beziehen. Anschließend gibt es Vorschläge zur Depotumsetzung.

In der Full-Service-Variante machen die Robos nicht nur Anlagevorschläge und vermitteln das Portfolio, sie verwalten das Depot danach auch eigenverantwortlich.

Uns gefallen hier die hybriden Systeme am besten. Ein Researchteam bestimmt entlang der Markteinschätzung die Attraktivität der einzelnen Assetklassen und legt das Titeluniversum fest. Robo sorgt dafür, dass passend zur Rendite/Risikopräferenz des Kunden die „ideale“ Depotzusammensetzung erfolgt.

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